Amp-Miking - ein paar Möglichkeiten

Im folgenden besprechen wir ein paar Möglichkeiten, einen Gitarrenamp abzunehmen, die sich im Lauf der letzten paar Jahre als funktionierend erwiesen haben. Dieser kleine Workshop erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch behaupte ich, damit den Stein der Weisen gefunden zu haben. Es gibt noch andere Möglichkeiten, die wir hier nicht besprechen, und die dennoch gut funktionieren. Jeder nach seiner Facon, und letztlich entscheidet das Ergebnis und der Geschmack des Publikums.

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Voraussetzungen

Damit ein abgenommener Gitarrenamp gut klingen kann, gibt es ein paar Grundvoraussetzungen, die wir hier aus Zeitgründen nur kurz anreissen. Gitarre und Amp müssen natürlich funktionieren und gut in Schuss sein. Eine Gitarre, die nicht oktav- oder bundrein ist oder die korrodierte Saiten hat, kriegt man mit allen Tricks der Welt nicht dazu, ordentlich zu klingen. Schnarr- und Scheppergeräusche müssen vorher beseitigt sein. Dann erst lohnt es sich, das Instrument auch einem Publikum vorführen zu wollen.

Wir gehen in diesem Workshop davon aus, dass wir einen Gitarrencombo mit einem oder zwei Lautsprechern oder einen Half- oder Vollstack abnehmen. Oder wie auch immer es heisst, wenn ein oder zwei 4*12er Boxen da stehen ... Weiter konzentrieren wir uns hier auf die Live-Situation, im Studio gelten teils andere Bedingungen. Dennoch sind viele Aussagen auch aufs Studio zu übertragen. Letztlich haben wir hier den Sound einer Rock-, Pop oder Bluesgitarre "vor Augen".


Grundsätzliche Möglichkeiten

Man kann heutzutage (wir schreiben das Jahr 2007) einen Gitarrenverstärker grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten abnehmen: Per Mikrophon oder per Speaker-Simulator bzw. Emulator. Manche Verstärker bieten diese Möglichkeit, und einige davon sind brauchbar. Wie gesagt: Der Geschmack entscheidet.

Der grundsätzliche Vorteil der Simulatoren / Emulatoren gegenüber einer Mikrophonabnahme / Mikrofonabnahme sind brauchbare Ergebnisse innerhalb von wenigen Sekunden und ein sauber getrenntes Signal - d.h. keine anderen Instrumente auf dem Kanal, wie es bei einem Mikrophon zwingend vorkommt. Nachteil der Simulatoren ist ein im Direktvergleich zu einer gut mikrophonierten Box doch leicht synthetisch klingendes Signal.

Mit genug Zeit zum Probieren und Erfahrung erzielt man mit der Mikrophonierung / Mikrofonierung bessere Resultate. Soll es schnell gehen oder verfügt der Tontechniker nicht über so viel Erfahrung, kommt man mit Simulatoren zu besseren Ergebnissen.


Los gehts! Zuerst das Mikro

Die einfachste und übliche Verfahrensweise ist die Abnahme eines Gitarrenamps mit einem dyamischen Mikrophon. Übliche Modelle sind Shure SM 57, Sennheiser MD 606, 609 oder 906. Da der Frequenzumfang der Gitarre und des Speakers nicht allzu gross ist (rund 100 Hz bis 6 kHz - mal etwas mehr, mal etwas weniger), ist grundsätzlich jedes Mikrophon geeignet, das auch für Gesang funktioniert (oder zumindest mal einen Versuch wert).

Für den Anfang montieren wir ein Mikro auf ein Stativ und zielen damit aus drei bis 5 cm Entfernung auf den Lautsprecher. Bei den meisten Boxen kann man mit dem Mikro auch ganz an den Bespannstoff rangehen, da dieser ohnehin ein paar cm Abstand zum Lautsprecher hat. Fertig? Nicht ganz! Der Lautsprecher produziert an verschiedenen Stellen der Membran einen stark unterschiedlichen Sound: Zielt man aus der Nähe genau auf die Mitte der Membran, ist das Klangergebnis sehr spitz, grell und dünn. Zielt man dagegen aus ein paar cm Entfernung eher nach aussen auf die Mebran, also Richtung Rand, ist das Ergebnis sehr viel weicher, fülliger, aber auch undeutlicher und weniger durchsetzungsfähig. Ein funktionierender Kompromiss ist das Zielen auf eine Stelle zwischen Mitte und Rand, wobei es oft günstig sein kann, noch ein klein wenig weiter Richtung Mitte zu zielen - 40/60 oder 30/70 zugunsten der Mitte. Aber dies soll nur ein Richtwert und Ausgangspunkt für eigene Experimente sein, mit denen man dem eigenen Wunschsound Schritt für Schritt näher kommt.

Gute Ergebnisse im Sinne einer aufgeräumten Bühne erzielt man mit dem Abhängen des Mikro über die Box - also das Mikrokabel von hinten über die Box führen, mit dem Topteil oder durch Umwickeln des Tragegriffes befestigen, und dann das Mikro von oben abhängen. Mit den flachen o.a. Sennheiser-Mics erzielt man hier identische Ergebnisse wie bei der Stativ-Befestigung, wenn man auf identische Stellen zielt. Nimmt man dagegen ein SM 57 oder SM 58 und hängt sie auf die beschriebene Weise ab, sollte man den Mikrophonkopf (a) etwas oberhalb der Mitte der Membran platzieren und (b) beachten, dass man jetzt ja eigentlich am Speaker vorbeizielt. Ein etwas weicherer Sound ist das Ergebnis. Aber das kann ja auch gewollt sein.

Apropos zielen: Eine geniale Methode der Amp-Abnahme (oder eigentlich des ganzen Umgangs mit der Box) habe ich bei dem Gitarristen der Band "Pink Cadillacs" (siehe Seite "Links") gesehen: Live wird die Box, eine halboffene 1*12er, leicht schräg nach hinten abgewinkelt aufgestellt. Im Studio wurde vorher ermittelt, an welcher Stelle der Speaker am besten für die Abnahme klingt. Etwas darüber ist ein Streifen Kreppband auf den Bespannstoff der Box genäht. Das Gegenstück des Kreppbandes ist um den Schaft des Mikros - eins der Sennheiser MDs. Als Ergebnis nimmt man bei jedem Gig an exakt derselben Stelle ab und hat auch mit einem Mikro bei jedem Gig einen nahezu identischen Ausgangssound. Und der ist in diesem Fall spitze, es sind so gut wie keine Korrekturen am EQ notwendig!


Die Alternative - Simulatoren und Emulatoren

Seit einigen Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl an Simulatoren bzw. Emulatoren von diversen Herstellern. Weiter kommt eine immer größere Anzahl von Gitarrenverstärkern und Vorstufen auf den Markt, welche dieses Feature bereits eingebaut haben. Diese Geräte - und wir benutzen die Begriffe hier ohne Unterscheidung eventueller Feinheiten - wandeln ein Line- oder Lautsprechersignal so um, dass es dem Sound eines gut mikrophonierten Lautsprechers nahe kommt. Wie geschieht das?

Das nicht frequenzkorrigierte Linesignal eines verzerrt gespielten Gitarrenverstärkers klingt über Breitbandlautsprecher (also incl. eines Hochtöners) einfach nur grausam schrill, höhenbetont und ätzend. Über Gitarrenlautsprecher wiedergegeben - wir erinnern uns an deren Frequenzgang, der nur bis ca. 6 kHz reicht - werden diese übermässig schrillen Frequenzanteile abgeschnitten. Durch diese Anpassung des Frequenzganges in Verbindung mit ein paar weiteren elektronischen Bauteilen, welche das Verhalten eines Lautsprechers noch weiter annähern sollen, erreicht man einen wesentlich realistischeren und angenehmeren Klang als ohne Anpassung.

Man unterscheidet zwischen passiven Geräten, die ohne von aussen zugeführte Spannungsversorgung auskommen, und aktiven Geräten, welche über Netzspannung, Batteriebetrieb oder Phantomspeisung mit der benötigten Energie gespeist werden.

Manche Geräte bieten umschaltbare Klangcharakteristika und können auf Knopfdruck z.B. den Sound eines offenen 1*12er Combos oder einer geschlossenen 4*12er bieten. In Deluxe-Varianten oder bei digitalen PreAmps kann man zusätzlich auch noch die Schrägstellung bzw. das "Danebenzielen" des Mikrophones angeben (off-axis heisst dieser Parameter manchmal).

Was nicht zu vernachlässigen ist: Die Simulatoren liefern unter allen akustischen Bedingungen denselben Klang auf den Mischpultkanal.


Andere Optionen

Ebenfalls zu gut klingenden Ergebnissen kann man mit Großmembran-Kondensatormikros statt der dynamischen Typen kommen. Da Studio-Großmembraner seit einiger Zeit immer günstiger werden, kann man dies ruhig einmal probieren. Der Sound ist differenzierter und feiner aufgelöst als bei den dynamischen Mikros. Für audiophile Konzerte durchaus einen Versuch wert!

Allerdings hat diese Methode auch diverse Nachteile: Die Großembran-Kondensatormikros sind für Studioanwendungen gedacht und mechanisch wesentlich empfindlicher als die meisten dynamischen Mikros. Auch akustisch sind sie diffiziler in der Handhabung - der Grenzschalldruck (also die maximale Lautstärke) liegt meistens niedriger als bei dynamischen Mikros, für Metal sind Kondensatormikros zur Amp-Abnahme also eher ungeeignet (leise spielende Metalbands mal aussen vor ...). Weiter reicht der Aufnahmeradius der Großmembraner weiter in den Raum hinein, d.h. man fängt sich mehr Nebengeräusche von den anderen Instrumenten ein, was beim Bühnenaufbau berücksichtigt werden sollte. D.h. die einzelnen Amps und das Schlagzeug sollten möglichst weit voneinander entfernt stehen.


Die Mischung macht's!

Bei Studioaufnahmen kommt man zu sehr gut klingenden Ergebnissen bei der Amp-Abnahme, wenn man den Sound mehrerer Mikros miteinander mischt. Dynamische und Kondensatortypen, manche näher dran, manche Mikros etwas weiter weg, einige eher zur Mitte des Lautsprechers hin zeigend, andere eher nach aussen gerichtet. Durch die ganzen Phasenüberlagerungen ergibt sich oft ein sehr interessanter und guter Sound. Live ist das eher keine Alternative (oder man beschränkt sich auf zwei Mikros - eines näher dran und auf die Mitte zeigend, eins ein paar cm entfernt und etwas weiter nach aussen gerichtet), da mehr Mikrophone auf der Bühne auch mehr Störgeräusche bedeuten, insbesondere, wenn sie weiter weg von der Box stehen.


Wie es auch geht

Dieser Abschnitt basiert auf meiner persönlichen Erfahrung und stellt meine persönliche Meinung dar. Jeder ist herzlich eingeladen, es selber einmal auszuprobieren (oder es bei Desinteresse einfach sein zu lassen). Als für Live-Situationen funktionierende Methode hat sich m.E. nach erwiesen, die Methode der Mikrophonabnahme (eher etwas weiter nach aussen gezielt) mit der Abnahme durch einen Simulator zu kombinieren. Das Mikro stellt dabei den angenehm warmen Soundanteil zur Verfügung, der Speaker-Simulator ein klares und besonders durchsetzungsfähiges Signal. Je nach Erfordernis kann man den Charakter des Gitarrensounds durch unterschiedliche Kombinationen der beiden Kanäle am Mischpult - mal den einen etwas lauter, mal den anderen - sehr interessant verändern.


Und noch eine Alternative

Die folgende Methode habe ich von einem extrem fähigen Kollegen gesteckt bekommen. Sie funktioniert allerdings nur bei hinten offenen Lautsprecherboxen wie Gitarrencombos oder manchen 2*12" Boxen. Ich werde die Methode definitiv selbst mal ausprobieren und könnte mich ohrfeigen, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Aber der Reihe nach: Es geht wieder um eine Methode mit zwei Quellen, ähnlich der gerade eben beschriebenen, aber diesmal sind beides Mikros - eins für die Fülle, eins für die Deutlichkeit. Das Mikro für die Fülle im Sound ist ein dynamisches, wie oben schonmal beschrieben, wird es eher seitlich nach aussen auf den Speaker gerichtet. Das andere Mikro ist - tadaa! - ein Grenzflächenmikrofon. Dieses wird, und das ist der Trick, hinten in die Box gelegt - hineingelegt! Damit nimmt man also den rückseitigen Schall des Lautsprechers auf. Bässe und Mitten werden bei diesem Mikro leiser gedreht, denn diese Anteile haben wir schon von dem dynamischen Mikro. Ausserdem ist es wahrscheinlich, dass innerhalb des Gehäuses die Mitten durch Resonanzen verfärben und damit anders klingen als "draussen". Wir nehmen mit der Grenzfläche also nur die Höhenanteile im Sound auf und mischen sie dem anderen Kanal zu. Der Effekt ist wieder eine Erhöhung von Deutlichkeit und damit der Durchsetzungskraft, aber auf eine natürlichere Art als mit dem Simulator. Unterschiedliche Lautstärkeverhältnisse der beiden Mischpultkanäle ergeben wieder verschiedene Sounds. Mit dieser Methode kombiniert man sozusagen die Vorteile mehrerer zuvor genannter Methoden - Wärme durch ein dynamisches Mic, Durchsichtigkeit eines Condensers, dadurch bedingt höhere Durchsetzungsfähigkeit, aber größere Natürlichkeit als bei den Simulatoren.

Also, stay tuned, ich werde von den Ergebnissen berichten!


Die Sache mit dem EQ auf den Gitarrenkanälen

Und wie wird das ganze jetzt EQ'd? Na, wie immer - nach Geschmack! Hat man eine simple Dreibandklangregelung zur Verfügung, bestimmt der Mittenregler den Sound der Gitarre maßgeblich. Mit einer Mittenparametrik kann man sich die Frequenz suchen, die man anheben oder absenken möchte, je nachdem, was man soundmässig vorhat. Richtig Spass macht es ab zwei (semi-)parametrischen Bändern - man kann sich zum einen die Frequenz in den Tiefmitten suchen, bei deren Anhebung die Gitarre füllig und "holzig" klingt. Das dürften je nach Instrument zwischen 200 und 500 Hz sein. Zum anderen die Frequenz, mit deren Boost sich das Instrument besser durchsetzt und dabei angenehm frisch klingt, ohne zu grell zu sein. Nach dieser Frequenz kann man zwischen 2 kHz und 4 kHz suchen, bei Cleansounds auch hoch bis 8 kHz. Bei einem Gitarrensolo braucht man nun meistens nur die beiden EQ-Bänder dezent anzuheben, um einen volltönenden und durchsetzungsfähigen Gitarren-Solosound zu übertragen (falls der Gitarrist sich den Solosound nicht ohnehin schon am Amp so eingestellt hat).


Und weiter?

Ansonsten gelten die ehernen und unumstösslichen Regeln,

  • grau ist alle Theorie, nur Selberprobieren bringt's!
  • der Kunde hat immer recht, und
  • erlaubt ist, was klingt.

Das war's erstmal hierzu. Zur Nachahmung freigegeben, eigene Experimente werden hiermit ausdrücklich angeregt! Über Feedback (nicht das Pfeifen!) in Form von Mails freue ich mich! Schreibt an contact@mix4munich.de


Johannes Komarek, München, im Februar 2007 (updated April 2007)

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