Tutorial "Live-Mixing", Misch-Strategien und Vorgehensweisen beim Soundcheck - Teil 4, Theater, Chor und Musical Heute ist Teil 4 meines Tutorials „Live-Mixing“ dran. Es geht gleich um mehrere verwandte Sachen: Theater, Chor und Musical. Ihr findet diese und andere Tutorials von mir unter der Adresse http://www.mix4munich.de/portal.htm
Tutorial "Live-Mixing", Part 4
Heute gibt es schon wieder mal ganz was anderes – heute beschallen wir zur Abwechslung ein Theater bzw. verstärken die Darsteller eines (modernen) Theaterstückes. Weil thematisch wie technisch eng verwandt und manchmal kombiniert, machen wir auch einen Abstecher in die Welt der Chorabnahme und -verstärkung, und dann erschlagen wir auch gleich noch das Thema Musical. Das sind – mit Ausnahme des Musicals vielleicht – wieder ganz andere Anforderungen an die Art, Dimensionierung und Aufstellung der Anlage sowie an Mikrofonierung und Monitoring. Wir betrachten hier nicht (oder höchstens mal zur Inspiration) den professionellen Bereich, sondern bleiben immer schön im „Budget“-Bereich. Wir fangen mit dem Theater an und machen zum Schluss einen Schwenk in Richtung Chor und Musical. Was sind die zu übertragenden Signale und Quellen bei einem modernen Theaterstück?
Die Band. Die Band? Die Band! Wenn eine Band im Spiel ist, verweise ich auf meine vorhergehenden Tutorials, Teile 1 bis 3. Was man vielleicht noch beachten sollte: Theaterbands bzw. Begleitbands bei Chören und Musicals müssen sehr diszipliniert und leise spielen können! Außerdem sollte man sie beim Theater nicht zu nah an der Bühne platzieren, um akustische Einstreuungen in die Mikros der Sprecher zu minimieren. Auch das Monitoring für die Theaterband sollte so klein und leise wie möglich sein. Optimal wäre es, wenn das Drumset ein elektrisches ist, und wenn Gitarre und Bass über PreAmps oder Effektgeräte direkt ins Pult spielen und höchstens einen kleinen Combo-Amp zu Monitorzwecken auf der Bühne stehen haben. Beim Einsatz von lauten akustischen Instrumenten wie Trompeten, Posaunen oder Naturschlagzeug sollte man sich über den Einsatz von Trennwänden aus Plexiglas Gedanken machen. Evtl. kann man diese zu den Aufführungen auch anmieten.
Und nun zu den Akteuren und deren Mikrofonierung. Grundsätzlich unterscheiden wir nach Mikrofonierung am Akteur (bzw. an der Akteurin) und nach Abnahme über Raummikros. Grundsätzliche Unterschiede: Bei Mikrofonierung am Schauspieler hat man ein einigermaßen konstantes Signal, d.h. egal, wo der Akteur sich aufhält, sein Signal ist immer konstant vorhanden, was einen großen Vorteil darstellt. Der Nachteil ist, dass es erheblich teurer ist, jeden Akteur mit einem Mikro und Sender auszurüsten. Je nach Anzahl der gleichzeitig eingesetzten Mikros muss man sich bei der Auswahl Gedanken machen, wieviele Exemplare gleichzeitig betrieben werden können. Im Budgetbereich ist oft bei vier gleichzeitigen Funkstrecken Schluss. Bei Anschaffungen also auf zukünftige Erweiterbarkeit achten und mal mit den örtlichen Verleihern reden, ob man etwas Kompatibles zu deren Material kauft. So kann man bei den Proben das Material benutzen, welches auch live verwandt wird und es kennen lernen, und zur Aufführung kann man dann aufstocken, falls benötigt. Probleme mit Sendefrequenzen hat man mit den kabelgebundenen Raummikros natürlich nicht. Dagegen aber ganz andere: Der Umgang mit solchen Mikros muss geprobt werden, sonst sprechen die Akteure die alles entscheidende Textzeile in einer Ecke der Bühne, welche akustisch nicht ausgeleuchtet wird! D.h. der Tech muss das Theaterstück genausogut kennen wie die Akteure, und diese wiederum müssen nicht nur Rolle und Text lernen, sondern auch wissen, an welcher Stelle der Bühne sie zu reden haben. Entscheidet man sich für den Einsatz von Raummikros, muss man sich überlegen, wo man diese möglichst unsichtbar platzieren kann. Typische Orte sind die folgenden:
Im Budgetbereich würde ich zu Headsets, Lavaliermikros oder Schminkmikros für die Hauptakteure raten und zusätzlich ein paar kabelgebundene Raummikros für die Nebenrollen, Statisten und eventuelle Chöre einsetzen. Bereits bei den Proben sollte der Tech zugegen sein, sich überlegen, wo man auf der Bühne die Raummikros unterbringen kann und die Akteure darin unterweisen, in Nähe der Mikrofone zu sprechen. Wieder mal lautet das Fazit: Ausprobieren, selber experimentieren. Das Gesagte kann nur als erster Anhaltspunkt dienen. Wenden wir uns nun den Chören zu. Vor Augen habe ich da einen klassischen oder modernen Chor mit mindestens 16 Leuten, sagen wir also vier pro Stimme. Nur falls jemand die klassischen Stimmen nicht kennt: Bei den Damen gibt es Alt (tief) und Sopran (hoch), wobei im Sopran nochmal nach dramatischem Sopran (mit Text) und kolorierendem Sopran (eher ohne viel Text, eben mit gesanglichen Kolorationen) unterschieden wird. Zwischen Alt und Sopran liegt der Mezzosopran. Bei den Herren wird unterschieden zwischen Bass (logisch, tief) und Tenor (hoch). In der Mitte dazwischen liegt der Bariton. Typische Chöre sind nach Sopran, Alt, Tenor und Bass unterteilt. Und für jede dieser Gruppen sollte man ein Mikrofon vorhalten, damit man die einzelnen Stimmgruppen etwas unterstützen kann. Geeignete Mikrofone für die Chorabnahme, genauso wie für die Raumabnahme beim Theater sind z.B. die dynamischen Klassiker Sennheiser MD441 oder Beyerdynamic M201, ansonsten ist das eher eine Domäne der Kleinmembran-Kondensatormikros, als kleine Auswahl seien genannt z.B. Beyerdynamic MCE930 oder MXL 603, AKG C1000, Rode NT5, etc. Die Mikros können von der Decke abgehängt oder auf Stativen aufgestellt werden. Bei der Anordnung achtet darauf, dass die Mikros für eine Stimmengruppe deutlich näher an dieser Gruppe stehen als an irgend einer anderen Tonquelle oder den PA-Boxen – Abstandsverhältnisse von mindesten 1 zu 3. Unbedingt beachten sollte man in jedem Fall, dass eine größere Ansammlung von Raummikros und / oder Headsets (um das mal als Oberbegriff auch für Lavaliermikros und Schminkmikros zu benutzen) meist eine ziemlich feedbackanfällige Konstruktion ist. In Monitor- und PA-Ausspielwegen müssen daher unbedingt Terzbandfilter oder parametrische EQs vorhanden sein, eventuell auch automatische Feedbackkiller. Ich bin zwar kein Freund dieser automatisch operierenden Dinge, aber hier können sie nützlich sein. Auch Monitoring und PA-Aufstellung sind auf dieses Szenario anzupassen. Und damit geht es auch gleich weiter. Vorher noch eine Notlösung für feedbackgeplagte Musical-Leute: Wenn die Headsets bei den Gesangsparts einfach nicht auf Pegel zu bekommen sind, weil es vorher pfeift, probiert folgendes: Die Sprechparts (also ohne Band) sollen die Akteure über ihre Headsets bestreiten. Wenn es Zeit wird zu singen, und es sind andere Anforderungen an Sound und Pegel, dann schaltet das / die Headsets stumm, und lasst die Akteure zu konventionellen Gesangsmikros greifen. Vorzugsweise drahtlos, aber notfalls auch kabelgebunden. In einem modernen Musical ist dieser Stilbruch durchaus verzeihlich, und wenn man sich so einige Probleme vom Hals schaffen kann und dem Publikum Feedback erspart ... warum nicht?
Monitoring für die Bühne Das Thema Monitoring ist relativ leicht abgehandelt. Sind wir beim Thema Theater oder Chorabnahme, gilt folgendes: Für die Mikros der Akteure gibt es hier kein Monitoring. Erstens hält man so die Feedbackgefahr im Zaum, zweitens hören sich die Schauspieler auf der Bühne auch mit ihrem Natursound gut. Wenn auf der Bühne die Band oder die Einspielungen vom PC oder CD-Player hörbar sein müssen, dann tun es dort ein bis zwei kleine Monitore in Sprechlautstärke.
PA-Auswahl und Platzierung der Systeme Zur Erinnerung: Wir „machen“ hier Theater bzw. übertragen einen Chor, dat is' kein Metal-Konzert! Die Beschallung dient in erster Linie der Sprachverständlichkeit. Selbst wenn Musik übertragen wird, im Vordergrund steht das Treiben der Schauspieler auf der Bühne bzw. die Stimmübertragung. Zu Auswahl und Aufstellung der PA-Lautsprecher: Wenn keine Band übertragen werden muss und wenn die Lautstärke und der Bassgehalt der Einspielungen sich in Grenzen halten, dann tut es als PA in kleineren Räumlichkeiten auch ein Paar hochwertiger 12/2er Lautsprecher. Wieso hochwertig, wenn doch anscheinend kein anspruchsvolles Material übertragen werden soll? Der Grund ist einfach: Das menschliche Gehör reagiert übermäßig empfindlich darauf, wenn eine menschliche Stimme durch Verzerrungen oder schlechte Übertragung „entstellt“ verstärkt wiedergegeben wird. Daher muss die verwendete Box im Mitteltonbereich unauffällig und sauber übertragen. Piezobestückte Lautsprecher aus dem Niedrigstpreissegment oder andere Lautsprecher der Kategorie „Hasenkiste“ scheiden daher ein für alle mal aus, wenn es um einigermaßen hochwertige Stimmübertragung geht! Die Platzierung der Systeme folgt anderen Gesichtspunkten als bei der Beschallung einer Rockband. Bei letzterer hat man die PA-Lautsprecher meist gleich rechts und links der Bühne postiert. Macht sich optisch ganz passend, und der Soundeindruck kommt von vorne. Außerdem werden die meisten Signale auf der Bühne mit einem solchen Pegel erzeugt, dass man keine unendliche hohe Verstärkung dafür braucht (siehe hierzu auch meinen Workshop zum Thema Feedback und Feedbackfrequenzen) und sich zumindest über Feedbacks über die PA keine Gedanken zu machen braucht. Ganz anders beim Theater. Hier hat man es mit Sprechern zu tun, nicht mit Shoutern. Aus ästhetischen Beweggründen müssen die Mikros im akustischen Sinne suboptimal platziert werden – entweder vom Sprecher recht weit entfernte Raummikros oder Headsets oder Anschminkmikros in großer Zahl, die auch nicht wirklich optimal platziert werden können. Meist muss mit viel Gain und irrsinnigen EQ-Kurven nachgeholfen werden, damit die Übertragung echt und natürlich klingt. Dies alles erhöht in der Summe die Feedbackgefahr über die PA. Daher tut man sich einen Gefallen, die Lautsprecher etwas weiter rechts und links der Bühne zu platzieren, ca. zwei bis vier Meter von der Bühne entfernt, ungefähr auf halbem Weg zwischen seitlichem Bühnenrand und der Seitenwand des Raumes. Direkt vor der Bühne muss auch meist nicht mit Lautsprechern nachgeholfen werden, weder beim Chor, noch beim Theater, was Lautstärke und die Verständlichkeit der Texte angeht. Wenn es in der Theatersituation stört, dass die Musik bzw. die Zuspielungen von weit rechts und links kommen, kann man evtl. getrennte Lautsprechersysteme für Sprache einerseits und für Musik und Effekteinspielungen andererseits verwenden. Aber da verlassen wir dann schon fast wieder den Budgetbereich. Ich will damit nur sagen, dass man sich in diesen Situationen durchaus helfen kann. Um das Thema abzuschließen: Für die Beschallung eines Musicals braucht es ein vollwertiges PA-System. Vielleicht wird es etwas leiser benutzt als bei einem Rock-Konzert, aber es muss das gesamte Spektrum bis tief in den Keller übertragen. Mit der Aufstellung muss man experimentieren – schafft man es, das System ohne Feedbacks rechts und links der Bühne zu platzieren? Falls ja, schön. Falls nicht, dann doch wieder etwas weiter seitlich.
Effekte? Hell, no! Jedenfalls keine, die man wahrnimmt. Zumindest nicht bei einigermaßen konventionellem Theater. Ansonsten gilt: Erlaubt ist, was gefällt. Und angekarrt wird, was der Kunde sich leisten kann. Welche Art von Processing man in jedem Fall braucht, sind EQs zur Filterung der Systeme. Eventuell auch Feedbackkiller, kommt drauf an, wie problematisch das ganze ist. Je nach Dynamik der Sprecher und persönlichem Geschmack vielleicht auch dezent eingestellte Kompressoren. Und einen natürlich klingenden Hall. Wobei wir kein langes Reverb daraus benutzen, sondern maximal einen Raum, der so klingen soll wie das Ambiente, das auf der Bühne dargestellt wird. Klar, wenn die Akteure den Eindruck erwecken wollen, sie gehen durch eine Kathedrale oder durch ein Kellergewölbe, sollte man die passenden Presets parat haben, aber im allgemeinen nur etwas Raum oder Early Reflections, um die Natürlichkeit zu erhöhen.
Keine Grundsatzdiskussion – analog oder digital mischen? Bitte, bitte, bitte: Das ist keine Grundsatzdiskussion und keine Einmischung in Eure persönlichen Mischvorlieben – mischt wie Ihr wollt und womit Ihr Euch wohl fühlt! Hier nur ein paar Gedanken von meiner Seite zum Thema. Irgendwann mischen wir sowieso fast alle digital, da geht der Trend eindeutig hin. Aber im Moment gibt es eben diese zwei Möglichkeiten, und beide haben ihre Vor- und Nachteile. Ende des Jahres 2008 / Anfang 2009 stellt sich die Situation so dar, dass auch im günstigen Bereich Digitalpulte immer besser werden, was Sound und Ausstattung angeht. Auch wenn ich persönlich im Moment Chöre und Theater immer noch auf Analogpulten und mit externem Processing mischen würde, spätestens im Musicalbereich mit wechselnden Einstellungen für diverse Akteure in unterschiedlichen Szenen, können die Digitalen ihre Vorteile ausspielen – Speicherbarkeit von Einstellungen in Szenen, reichhaltige Ausstattung mit Filtern, Effekten und Processing, alles in einem Gerät. Stellt man eine mobile Produktion auf die Beine, sollte man sich erst recht mit einem Digitalpult anfreunden. Die Bandscheiben der Helfer und die Budgetverantwortlichen werden es einem danken!
Zum Schluss ... So, das war's mal wieder. Bedenkt, es gibt nichts Gutes, außer man tut es, und egal, wie viel ich hier schreibe, macht einfach mal bei einer solchen Produktion mit, Ihr werdet jede Menge sehr interessanter Sachen lernen. Stellt Ihr das erste Mal eine solche Produktion auf die Beine, nehmt Euch einfach etwas mehr Zeit, achtet auf sauberen Aufbau der Anlage. Im Endeffekt neigen solche Aufbauten dazu, sehr komplex zu werden. Bedenkt, am Anfang ist weniger mehr. Nutzt Equipment, mit dem Ihr Euch auskennt, und mit dem Ihr Euch sicher seid, dass Ihr in kurzer Zeit gute Ergebnisse erzielt.
Fragen oder Feedback? Schreibt an contact@mix4munich.de
München, im Januar 2009
Lust, die Inhalte dieses Workshops praktisch durchzuprobieren - und noch viel mehr? Siehe HIER!
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