Die Stimme im Mix nach vorne holen

Wenn man ein Instrument - egal, welches, das kann auch die menschliche Stimme sein - im Mix nach vorne holen will, gibt es dafür mehrere verschiedene Möglichkeiten, die man auch miteinander kombinieren kann. Über den Frequenzgang, über die Dynamik, über die Zeit oder die Richtung.


1. Über den Frequenzgang

Jede Stimme hat (meiner Meinung nach) zwei Frequenzen, bei denen man sie im Mix nach vorne holen kann. Diese Frequenzen variieren von Stimme zu Stimme, sind ggf. auch tagesformabhängig. Daher: Suchen! Die eine Frequenz befindet sich im Grundtonbereich und ist für Druck bzw. Fülle zuständig. Bei Männern ungefähr bei 200 oder 300 Hz, bei Frauen rund eine Oktave oder etwas mehr darüber, ca. 500 bis 800 Hz.


Die andere Frequenz liegt im Bereich der Präsenzen, rund 6 bis 8 kHz und sorgt für bessere Textverständlichkeit. Falls es nix anderes gibt, kann man einfach den Höhenregler ein Stück aufdrehen, denn auch wenn der seine stärkste Wirkung z.B. bei 10 kHz entfaltet, wird er auch Wirkung bei den genannten Frquenzen haben.


Ich plädiere im Normalfall für dezente Anhebungen, 2, nicht mehr als 3 oder 4 dB, damit die Natürlichkeit der Stimme erhalten bleibt.


Jetzt kann es sein, dass trotz obiger Massnahmen die Stimme alleine fett klingt, aber im Zusammenhang wieder dünn. Dann gibt es andere Instrumente, welche den Grundtonbereich der Stimme zukleistern. Gitarre, Bass, Keyboards oder andere Naturinstrumente wären da die üblichen Verdächtigen. Man kann nun probieren, die Grundtonfrequenz der Gesangsstimme bei diesen Instrumenten dezent abzusenken. Wenn man das beim richtigen Instrument gemacht hat, klingt die Stimme plötzlich größer, mächtiger. Einfach, weil sie nun mehr Platz im Mix einnehmen kann.


2. Über die Dynamik

Mithilfe eines Kompressors kann man die Dynamik der Stimme so beeinflussen, dass sie vom Pegel her immer über den anderen Instrumenten liegt und daher gut zu verstehen ist. Genaueres zu Kompressoren unter http://www.mix4munich.de/kompressoren.htm
Im Prinzip komprimiert man dezent die menschliche Stimme (Ratio auf ca. 2:1 oder 3:1, Threshold so einstellen, dass nicht mehr als 6 dB Kompression auftreten, gerne auch weniger, für Attack und Release die Automatik aktivieren, ansonsten mittlere oder längere Werte für diese Parameter - und dann die Kompression durch den Gain wieder ausgleichen; wenn man also bis 4 dB reduziert, denn um 4 dB anheben). Vorsicht, durch die Pegelanhebung erhöht man live die Feedbackgefahr.


3. Über die Zeit

Was soll jetzt das heissen? Es geht um zeitbasierte Effekte - richtig, Hall und/oder Echo! Ist der Mix trocken, kann man die Stimme durch den Einsatz von Hall oder Echo nach vorne holen. Umgekehrt, ist der Mix mit viel Hall versehen, gibt man der Stimme nur ein kurzes Ambience und etwas Echo und holt sie so im Mix hervor.


4. Über die Richtungsinformation

Wenn die Stimme nicht aus dem Mix hervorzuholen ist, weil alle Signale aus der Mitte kommen, kann man versuchen, diejenigen Signale, welche im Spektrum den Bereich der Stimme zukleistern, ein wenig auf eine der Stereoseiten zu mischen - eine Gitarre ein wenig nach links, das Keyboard ein bißchen nach rechts (ungefähr 10 und 14 Uhr auf dem PAN-Poti, manchmal genügen auch schon 11 und 13 Uhr). Schon steht die Stimme etwas freier vor der Band.

WICHTIG: Dies ist die einzige Methode, die man nicht immer einsetzen kann, sondern nur, wenn man einen Großteil seines Publikums echt stereophon beschallen kann. In einer verwinkelten Location oder wenn die PA ohnehin mono betrieben wird, kann man das getrost vergessen.


Zu guter Letzt:

Diese Methoden lassen sich natürlich kombinieren. Alles ist geschmacks- und situationsabhängig, und ich gehe davon aus, dass man nicht mit dem Kanal-EQ gegen die PA, die Raumakustik oder gegen die Qualität des Mikros anmischen muss. Und wer den Mix zum Klingen bringt, hat automatisch recht mit dem, was er tut.


Wie immer: Das sind alles nur Ausgangspunkte für eigene Experimente. Jeder soll und kann da seine eigenen Methoden entwickeln. Feedback zu diesem Text ist mir wie immer willkommen unter contact@mix4munich.de


Lust, diesen Anspekt - und viel mehr - aus der Live-Tontechnik mal praktisch auszuprobieren? Warum nicht! Hier gibt es mehr Infos dazu: Live-Workshop


München, im Juni 2009

Ergänzt im Juni 2010

Johannes Komarek

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