Soundcheck – wie es funktionieren kann
Ich erinnere mich gerade an das erste Mal – ich meine den ersten Soundcheck. Aber nicht an meinen, der war harmlos. So harmlos, dass ich ihn vergessen habe. Ich meine den Soundcheck einer jungen angehenden Tontechnikerin. Der war nämlich äußerst unangenehm und endete in Tränen ihrerseits. Wieso dies? Weil die jungen Herren Musiker meinten, sie müssten den Soundcheck der Band dazu benutzen, um IHREN persönlichen Sound am Instrument neu zu erfinden, statt einfach den verd... Soundcheck zu machen. Jedenfalls dudelte alles durcheinander, ohne auf die Technikerin zu hören. Sowas zerrt am Nervenkostüm, und die Dame war wohl etwas zu nah am Wasser gebaut oder an dem Tag nicht gut drauf. Jedenfalls war es ein mittleres Desaster. Genug der Vorrede. Wie gestaltet Ihr einen Soundcheck, der einerseits angenehm und andererseits produktiv ist?
Außerdem: Die Fragen, die mir ein Forenkollege neulich stellte, lauteten sinngemäß wie folgt: „Wie und wann stellt man die Kompressoren beim Soundcheck ein? Oder: Welche Anweisungen gebe ich dem Künstler, um den Kompressor möglichst gut einzustellen?“ Fangen wir einfach von vorne an.
Der menschliche Aspekt
Wir erinnern uns an dieser Stelle nochmal, wozu ein Soundcheck gut ist. Er dient dem Formen des Bandsounds für den Abend, dem Zusammenfügen von existierenden Einzelsounds zu einem funktionierenden Ganzen, außerdem dient er dem Anpassen des Sounds an den Raum. Der Soundcheck dient NICHT dazu, dass die Musiker ihren ganz persönlichen Sound nochmal neu definieren – allenfalls noch dazu, ihren persönlichen Sound an die akustischen Verhältnisse auf der Bühne anpassen. Er dient (außer vielleicht in manchen Profikreisen) auch nicht dazu, noch schnell was laut zu üben oder zu komponieren. Schon gar nicht dient er dem Herumklimpern einzelner, zu keiner Zeit!
Noch etwas sollte klar sein: Das Sagen hat während des Soundchecks der Tontechniker (egal, ob männlich oder weiblich). Wenn der Tech sagt, jemand spielt, dann tut derjenige das auch. Wenn der Tech sagt, dass der Rest der ganzen Gang nun Sendepause hat, dann ist das für den Augenblick Gesetz. Warum? Weil es Zeit spart. Der Tech ist in diesem Moment wie der Trainer einer Fußballmannschaft oder der Dirigent eines Orchesters. Die Macher sind die Spieler oder Musiker. Aber ihre Kommandos (zumindest während des Soundchecks) erhalten sie vom Coach bzw. Dirigenten. Und das ist hier der Tontechniker.
Nun zum Ablauf
Zuerst der Einzelcheck jedes Einzelsignals. Immer nach dem gleichen Muster: Erst den Gain einpegeln (noch etwas Luft nach oben lassen!), dann laut aufdrehen und den EQ einstellen, danach grob die grundlegenden Effekte wie Hall und Echo, falls Gates und Expander benutzt werden, dann diese auch einstellen, evtl. die Kompressoreinstellung, aber eher zu dezent als zu stark, dann ungefähr den Pegel einstellen, wie er nachher im Mix sein soll. Monitorwege kommen später erst dran.
Das war jetzt meine persönliche Reihenfolge. Technischer sinnvoller ist es allerdings, wenn man die Grobeinstellung der Dynamics gleich nach dem EQ vornimmt und die Effekte erst danach drankommen. Bei mir funktioniert es auch anders gut, aber es hat durchaus Sinn, es anders zu machen als ich.
Zur Reihenfolge der Instrumente
Bei mir geht es los mit der Bassdrum, dann Snare, dann Toms von klein nach groß, dann Overheads und evtl. HiHat, danach unbedingt nochmal das ganze Drumset checken. Und macht nicht den Fehler, nach jedem Einzelsignalcheck den Kanal wieder abzudrehen – der Fader bleibt oben. Den Grund dafür könnt Ihr in meinem Workshop über Kompressoren lesen.
Eine interessante Variation im Ablauf des Soundchecks, von der ich mal gehört habe, möchte ich Euch nicht vorenthalten, selbst wenn ich sie nach einem Versuch nicht mehr selbst praktiziere: Nach dem Check der Bassdrum kommt der Gesang! Und dann diese beiden immer im Wechsel, bis das Verhältnis stimmt. Was soll dies bezwecken? BD und Gesang sind zwei der wichtigsten Signale im Arrangement. Wenn diese beiden sich in die Quere kommen, klingt die ganze Band nicht gut. Also sorgt man gleich zu Anfang durch den Abgleich dieser beiden Signale dafür, dass die zwei gut im Sound harmonieren. Wenn man sich (wie anscheinend die meisten Menschen) nicht vorstellen kann, wie zwei Sounds, die man bislang nur einzeln gehört hat, zusammen klingen, ist so etwas hilfreich. Versucht es, und wenn Ihr Euch damit gut fühlt, bleibt dabei.
Danach kommt bei mir der Bass einzeln, dann der Bass im Zusammenhang mit den Drums.
Danach die Gitarre(n). Erst einzeln, denn im Zusammenspiel mit den Bass und Drums. Dann die Keyboards – wieder erst einzeln, denn im Zusammenspiel mit allen anderen. Danach die Vocals – erst ... na, Ihr wisst schon.
Also ich zumindest mache es meist so, dass ich beim Soundcheck der Einzelsignale erst nur ganz dezent komprimiere - Gesang kaum mehr als 3 dB. Mein Hauptaugenmerk liegt an dieser Stelle eher auf dem EQ und den Haupteffekten (Hall, Delay). Um die Kompression kümmere ich mich erst richtig, wenn die ganze Band das erste Mal zusammen performt, also nach dem Check der Einzelsignale und dem groben Vor-Mischen.
Wenn ich dagegen mit Gates und Expandern zugange bin, stelle ich die schon bei den Einzelchecks so gut wie möglich ein und justiere später höchstens noch kurz nach.
Zurück zum Soundcheck, denn nun kommt die ganze Band zusammen dran: Zuerst lasse ich mir sagen, wer welches Signal wie laut auf seinem Monitor haben will und mische das dann grob vor. Beim Check der kompletten Band korrigiere ich zuerst die Lautstärkeverhältnisse der Front-PA nochmal fein (geht mit etwas Routine sehr schnell, weil man im Lauf der Zeit immer besser vormischt), und DANN kommen die Feineinstellungen bei den Kompressoren. Der Grund hierfür ist der, dass die meisten Sänger einfach nicht alles geben, wenn sie alleine singen (es gibt Ausnahmen, die haben verstanden, worum es bei einem Soundcheck geht). Im Bandkontext erst geben die meisten wirklich Stoff.
Ich mache den Bandcheck so, dass ich von einem Uptempo-Song eine Strophe und einen Refrain spielen lasse. WÄHREND des Spielens mache ich zuerst die Feinabstimmung der Pegelverhältnisse und der Kompressoren. NACH dem ersten Durchgang lasse ich mir sagen, was die Musiker gerne mehr oder weniger auf ihren Monitoren hätten und gleiche meinen Monitormix daran an. Das sollte man den Leuten aber vorher ankündigen, damit es klappt: "Ihr spielt jetzt eine Strophe und einen Refrain von dem Song XYZ, und danach sagt Ihr mir, was Ihr gerne mehr oder weniger auf Euren Monitoren haben wollt. Los geht's!" Dieses Prozedere wiederhole ich zwei- oder dreimal mit demselben Song, bis ich mit dem Frontsound happy bin und die Musiker mit ihren Monitoren zufrieden sind. Der Soundcheck hat bei mir bis hierher etwa zehn bis fünfzehn Minuten für eine fünfköpfige Rockband gedauert, und wenn es sein muss, reicht mir das. Im optimalen Fall haben wir aber noch zehn Minuten mehr.
Dann lasse ich die Band meist noch eine Ballade anspielen und prüfe, ob die Pegelverhältnisse und Kompressionsraten hier noch stimmen, spiele ein wenig mit längeren Delays und größeren Hallräumen rum.
Dann kommen die Songs mit speziellen Solofeatures wie mächtigen Keyboardintros, Bass- oder Schlagzeugsolos. Auch einen Song mit einem Gitarrensolo von jedem Gitarristen lasse ich mir mal vorspielen, damit ich weiß, was mich später erwartet, aber das ist dann schon eher Luxus, wenn wir mal 30 Minuten Zeit für einen Soundcheck haben.
So mache ich das. Für mich funktioniert's.
Johannes Komarek, München, im März 2009